ALICE löst Rätsel um Erzeugung und Überleben leichter Atomkerne – GSI/FAIR-Forschende beteiligt
16.12.2025 |
Diese News basiert auf einer Veröffentlichung des CERN
Teilchenkollisionen am Large Hadron Collider (LHC) des europäischen Forschungszentrums CERN erzeugen winzige Feuerbälle, die 100.000-mal heißer sind als das Zentrum der Sonne. Diese Feuerbälle zerfallen in neue, teils recht exotische Teilchen – darunter leichte Atomkerne und ihre Antimaterie-Gegenstücke. Paradoxerweise können sie in der heißen und dichten Umgebung entstehen und ihr sogar unversehrt entkommen, obwohl die Bindungen, die ihre Bestandteile zusammenhalten, äußerst schwach sind. Seit Jahrzehnten rätseln Physiker*innen über diese „Schneebälle in der Hölle“, doch nun hat die ALICE-Kollaboration eine Erklärung geliefert – beschrieben in einem richtungsweisenden Artikel, der vor Kurzem in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde. Auch Wissenschaftler*innen von GSI/FAIR sind daran beteiligt.
Forscher*innen von ALICE untersuchten Deuteronen (schwach gebundene Proton-Neutron Paare), die in Hochenergie-Kollisionen von Protonen am LHC erzeugt werden. Sie fanden heraus, dass Deuteronen in einer späten Phase der Kollision bei relativ niedriger Temperatur entstehen – durch Kernfusion zwischen den entstehenden Protonen und Neutronen. Zudem stammt in 90 Prozent der Fälle entweder das Proton oder das Neutron aus dem Zerfall eines kurzlebigen Teilchens, der sogenannten Delta-Resonanz.
Die Delta-Resonanz zerfällt in ein Proton (oder Neutron) und ein Pion, ein leichtes Teilchen aus einem Quark und Antiquark. Die Zerfallsprodukte entfernen sich mit einer charakteristischen Geschwindigkeit, die durch die Masse der Delta-Resonanz und das Energieerhaltungsgesetz bestimmt wird. Im Experiment zeigten die beobachteten Deuteron-Pion-Paare relative Geschwindigkeiten, die mit denen aus Delta-Zerfällen übereinstimmen.
Das Bild stellt sich somit wie folgt dar: Der im Zusammenstoß erzeugte Feuerball dehnt sich aus und kühlt ab. In der Endphase befinden sich Pionen, Delta-Resonanzen, Protonen und Neutronen locker im Raum verteilt. Eine zerfallende Delta-Resonanz schickt ein Proton sanft in Richtung eines vorbeifliegenden Neutrons, während das Pion aus demselben Zerfall die überschüssige Energie abführt. Auf diese Weise katalysiert das Pion die Fusion von Proton und Neutron zu einem Deuteron. Die Analyse wurde für Teilchen und Antiteilchen durchgeführt und bestätigte, dass derselbe Mechanismus die Bildung von Deuteronen und Antideuteronen bestimmt.
„Diese Ergebnisse sind ein Meilenstein für das Forschungsfeld“, sagt Dr. Marco van Leeuwen, Sprecher der ALICE-Kollaboration. „Sie schließen eine große Lücke in unserem Verständnis darüber, wie sich Atomkerne aus Quarks und Gluonen bilden, und liefern wichtige Grundlagen für die nächste Generation theoretischer Modelle.“
Die Erkenntnisse erklären nicht nur ein seit langem bestehendes Rätsel der Kernphysik, sondern könnten auch weitreichende Auswirkungen auf Astrophysik und Kosmologie haben. Leichte Kerne und Antikerne entstehen ebenfalls bei Wechselwirkungen zwischen kosmischen Strahlen und dem interstellaren Medium, und sie können bei Prozessen erzeugt werden, an denen die allgegenwärtige Dunkle Materie beteiligt ist. Durch die Entwicklung zuverlässiger Modelle für die Produktion leichter Kerne und Antikerne können Physiker*innen Daten der kosmischen Strahlung besser interpretieren und mögliche Signale Dunkler Materie identifizieren.
Die für diese Analyse verwendeten geladenen Teilchen wurden mit der Time Projection Chamber (TPC) gemessen – dem wichtigsten Tracking- und Teilchenidentifikationsdetektor des ALICE-Experiments. Die TPC wurde mit maßgeblicher Beteiligung des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt gebaut, kalibriert und betrieben. „Das Pion unterstützt die Fusion von Proton und Neutron und übernimmt gewissermaßen die Rolle des ‚Trauzeugen‘ bei ihrer Hochzeit“, sagt Professorin Silvia Masciocchi, Leiterin des ALICE-Teams bei GSI/FAIR. „Einmal mehr demonstriert ALICE seine einzigartige Vielseitigkeit und Präzision bei den anspruchsvollen Messungen von Teilchen und ihren Korrelationen am LHC.“ (ALICE/BP)
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Wissenschaftliche Veröffentlichung in „Nature“












