Magnete für FAIR-Ringbeschleuniger: Inbetriebnahme der neuen Testanlage im italienischen Salerno

29.11.2022

Der künftige FAIR-Ringbeschleuniger SIS100 nutzt supraleitende Magnete zur Ablenkung, Fokussierung und Korrektur der umlaufenden Ionenstrahlen. Während die komplette Serie der zur Strahlablenkung benötigten Dipolmodule bereits gefertigt und getestet wurde, befindet sich die Serienproduktion der zur Fokussierung und Korrektur notwendigen Quadrupolmodule noch in einer früheren Phase. Doch inzwischen ist mit der Inbetriebnahme der kryogenen Testanlage THOR (= „Test in Horizontal“) für diese Magnetgruppe im italienischen Salerno ein wichtiger Schritt erfolgt.

Zum Anlass der erfolgreichen Inbetriebnahme und zur Abstimmung wichtiger Aspekte der weiteren Zusammenarbeit hat eine Delegation von GSI/FAIR, bestehend aus dem Wissenschaftlichen Geschäftsführer Professor Paolo Giubellino und dem Technischen Geschäftsführer Jörg Blaurock sowie Mitarbeitenden des Subprojektes SIS100/SIS18, die Einrichtung in Salerno besucht. Ebenfalls vor Ort waren Vertreter des Managements des italienischen nationalen Kernphysikinstituts (INFN, Istituto Nazionale di Fisica Nucleare), wo die Testanlage angesiedelt ist. Teil des Besuchs war auch ein Treffen mit der Leitung der Universität Salerno, die unter anderem Laborräume und technischen Support für die Entwicklung der Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung stellt.

Die Quadrupolmodule für den FAIR-Ringbeschleuniger sind äußerst komplex. Wesentliche Komponenten sind die supraleitenden Quadrupoleinheiten. Jedes Modul beinhaltet zwei Quadrupoleinheiten sowie weitere, technisch hoch anspruchsvolle Bauteile. Dazu gehören beispielsweise die dünnwandigen und mit flüssigem Helium gekühlten Magnetkammern, die kryogenen Ionenfänger und die kryogenen Strahlpositionsmonitore. Die Wertschöpfungskette, also die Fertigungsstufen der SIS100-Quadrupolmodul-Produktion, umfasst somit zahlreiche Zulieferer und Standorte. Nach der Herstellung werden die supraleitenden Quadrupoleinheiten zunächst an Bilfinger Noell in Würzburg gesendet und dort zu supraleitenden Quadrupolmodulen integriert.

Durch die Integration der Quadrupolmodule entsteht ein komplexes System aus parallelen, hydraulischen Kreisen für flüssiges und gasförmiges Helium und einem Vakuumsystem, dessen Wände, Temperaturen zwischen vier und zehn Kelvin aufweisen. Auch werden extreme Anforderungen gestellt, beispielsweise an die Positionstreue der Komponenten beim Abkühlen von Raumtemperatur auf die 4,5 Kelvin Betriebstemperatur der Magnete. Obwohl die kalte Masse auf einem aus zwei separaten Tragwerken bestehenden Träger aufgebaut wird, darf deren Position im kalten Zustand nur um maximal 0,1 Millimeter vom Sollwert abweichen. Die Eigenschaften jedes integrierten Modules müssen daher in einem separaten Kalttest untersucht und bestätigt werden.

Das Kalttesten von 81 der insgesamt 83 SIS100-Quadrupolmodule wurde auf der Basis eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem italienischen Ministerium für Bildung, Universitäten und Forschung ermöglicht. Der Standort Salerno wies hierfür ideale Voraussetzung auf. Auf dem Campus der Universität Salerno war schon zuvor eine kryogene Testanlage zum Testen von FAIR-SIS300 Magneten errichtet worden.

Aufbauend auf diesen guten Voraussetzungen hat das lokale INFN-Team unter Leitung von Dr. Umberto Gambardella nun alle zum Testen der SIS100-Quadrupolmodule notwendigen zusätzlichen Ausrüstungsgestände entwickelt, beschafft und aufgebaut. Neben der eigentlichen Kryoanlage mussten auch Messsysteme für die elektrischen Stromkreise der Magnete sowie Systeme zur Überwachung der Supraleitung (Quench-Detektion) entwickelt und gebaut werden.

In Laufe dieses Jahres konnte die kryogene Testanlage THOR zum ersten Mal kaltgefahren und in Betrieb genommen werden. Zu diesem Zwecke wurde das erste SIS100-Quadrupolmodul (FoS, First of Series) nach Salerno gebracht und dort an der Testanlage aufgebaut. Das italienische Team war zuvor bei GSI für das Testen der Module ausgebildet worden, außerdem wurde ein kontinuierlicher Informationsaustausch zwischen GSI und INFN eingerichtet.

Die italienische Wissenschafts-Community und GSI/FAIR sind auf vielen Gebieten eng verbunden. Der Wissenschaftliche Geschäftsführer von GSI und FAIR, Professor Paolo Giubellino sagt: „Unsere Zusammenarbeit mit Italien ist von großer Bedeutung. Italienische Forschende sind in zahlreichen Bereichen und Kollaborationen bei GSI und FAIR vertreten und leisten hervorragende Beiträge. Italien und gerade das INFN haben eine starke wissenschaftliche und technologische Beteiligung an FAIR und tragen sowohl zu den Beschleunigern als auch zu den Experimenten bei. Wir hoffen, dass diese Einbindung schließlich zu einer Vollmitgliedschaft werden wird. Ich freue mich sehr über diese Vertiefung an der Testanlage THOR und den weiteren Ausbau unserer erfolgreichen Zusammenarbeit.“ (BP)



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