Nachruf Professor Dr. Gerhard Kraft (1941-2023)

Mit großer Trauer und Bestürzung haben wir vom Tod des früheren Leiters der Abteilung Biophysik, Prof. Dr. Gerhard Kraft, erfahren. Er war unser langjähriger Vorgesetzter und wird uns als ein besonderer Mensch und Mentor, hervorragender Wissenschaftler und als ein äußerst engagierter Kämpfer für seine Projekte und Ziele in Erinnerung bleiben.
Gerhard Kraft hat die Abteilung Biophysik der GSI in den 1980er Jahren aufgebaut, und sein Wirken ist untrennbar mit der Initiative zur Etablierung der Schwerionentherapie in Deutschland und Europa verbunden. Nach einem Forschungsaufenthalt in Berkeley, bei dem er die dortigen Aktivitäten zur Ionenstrahltherapie kennengelernt hatte, hat er, zusammen mit seiner Frau Wilma, mit unermüdlichem Einsatz für den Aufbau eines Pilotprojektes für die Ionenstrahltherapie bei GSI gekämpft. Seinem Durchhaltevermögen ist es zu verdanken, dass das Projekt - nach anfänglichen Widerständen - schließlich unter der Geschäftsführung von Prof. Dr. Hans Specht und in Kooperation mit der Radiologischen Klinik und dem DKFZ in Heidelberg sowie dem Forschungszentrum Dresden-Rossendorf auf den Weg gebracht wurde. Im Dezember 1997 konnten dann die ersten Patienten bei GSI behandelt werden, und im weiteren Verlauf dieses Pilotprojektes konnten bis 2008 über 440 Patienten bei GSI behandelt werden. Die vielversprechenden Ergebnisse haben dann auch zügig zur Planung der Heidelberger Ionenstrahl-Therapie (HIT) geführt, einer Klinik-gestützten Therapieeinheit am Heidelberger Universitätsklinikum; dort konnte die Patientenversorgung dann nahezu unterbrechungsfrei im Jahre 2009 aufgenommen werden. In der Folge hat sich Gerhard Kraft mit äußerst großem Einsatz der weiteren Verbreitung der Schwerionentherapie verschrieben und so z.B. den Aufbau ähnlicher Therapie-Anlagen in Marburg und Shanghai begleitet und dabei große Konzerne wie die Rhön-Klinikum AG und Siemens AG beraten.
Mit seinem Wirken hat er die Erforschung der biologischen Wirkung von Ionenstrahlen national und international geprägt. Auf seine Initiative geht auch die Etablierung einer Professur im Forschungsgebiet Strahlenbiologie/DNA-Reparatur an der TU Darmstadt zurück, mit der die Strahlenforschung in Deutschland nach Schließung ähnlicher Institutionen an anderen Universitäten wieder maßgeblich gestärkt wurde. Zusammen mit der Abteilung Biophysik der GSI konnte damit der Standort Darmstadt zu einem der führenden Zentren der Strahlenforschung ausgebaut werden.     
Auch nach seiner Emeritierung hat er weiterhin intensiv in der Forschung gearbeitet und sich dabei vor allem der Erforschung der therapeutischen Wirkung von Radon gewidmet, von dessen positiver Wirkung er als Patient einer schweren chronischen Erkrankung nach vielen Radon-Kuren überzeugt war. Auf der anderen Seite hat er er zusammen mit seinen Kollegen und Studenten grundlegende Untersuchungen zum Transport und Anlagerung von Radon in Organismen angestellt und damit den Strahlenschutz zu Radon vorangebracht, ein Thema das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Auch hier hat sich sein untrüglicher Instinkt für wichtige Technologien und Forschungsthemen herausgestellt.
Gerhard Krafts Wirken war durch unermüdlichen Einsatz für die Sache gekennzeichnet. Dieser Einsatz und seine Erfolge wurden u.a. mit dem Erwin-Schrödinger-Preis der Helmholtz-Gemeinschaft, dem Otto-Hahn-Preis der Stadt Frankfurt, dem Bacq-und-Alexander-Award der European Radiation Research Society, dem Ulrich-Hagen-Preis der Deutschen Gesellschaft für Biologische Strahlenforschung sowie durch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes gewürdigt.  
Prof. Gerhard Kraft hat in seiner Abteilung eine vorbildliche interdisziplinäre Forschungskultur geschaffen, die immer einen ausgeglichenen Anteil an Forschern und Forscherinnen aufwies und heute immer noch sehr erfolgreich ist. Neben den ‚großen’ Projekten, in denen ihm interdisziplinäres Arbeiten und das Vermeiden fachspezifischer Cluster ein besonderes Anliegen war, hat Gerhard Kraft sich aber auch unermüdlich der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses gewidmet.
Insgesamt hat er deutlich mehr als hundert Abschlussarbeiten betreut bzw. mitbetreut, darunter auch viele Arbeiten externer Gruppen. Sehr wichtig war ihm die Motivation des wissenschaftlichen Nachwuchses und offene fachliche oder auch persönliche Diskussionen, die viel Raum für Kreativität geschaffen und die Atmosphäre der Abteilung zu etwas Besonderem gemacht hat. Wir werden ihn sehr vermissen.
M. Durante, C. Fournier, D. Schardt, M. Scholz, und U. Weber für die Abteilung Biophysik

 


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