Schwarzes Loch – ja oder nein: Über den Ausgang von Neutronensternkollisionen
13.10.2020 |
Eine neue Studie von GSI-Forschenden und internationalen Kollegen und Kolleginnen beleuchtet die Bildung Schwarzer Löcher in Neutronensternkollisionen. Computer-Simulationen zeigen, dass die Eigenschaften hochdichter Materie, wie sie schon heute in den Labors von GSI und FAIR untersucht wird und noch präziser an der künftigen FAIR-Anlage erforscht werden wird, dabei eine entscheidende Rolle spielen. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht. Viel Aufmerksamkeit erfährt das Thema derzeit auch durch die Verleihung des Physik-Nobelpreises 2020 für die theoretische Beschreibung von Schwarzen Löchern und für die Entdeckung eines supermassiven Objekts im Zentrum unserer Galaxie.
Aber unter welchen Bedingungen bildet sich überhaupt ein Schwarzes Loch? Dieser Frage sind Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt in einer internationalen Kollaboration nachgegangen. Die Forschenden untersuchten hierbei mit Hilfe von Computer-Simulationen einen speziellen Prozess, der zur Bildung eines Schwarzen Loches führen kann: die Kollision zweier Neutronensterne (Simulation im Film).
Schon in Neutronensternen ist Materie extrem verdichtet. Die Masse von anderthalb Sonnen ist auf den Radius von wenigen Kilometern zusammengedrückt. Damit entstehen ähnliche beziehungsweise sogar noch höhere Dichten als im Innern von Atomkernen. Verschmelzen zwei Neutronensterne in einem Doppelsternsystem, wird die Materie in der Kollision noch zusätzlich verdichtet. Beste Chancen also für die Entstehung eines Schwarzen Loches. Schwarze Löcher sind die kompaktesten Objekte im Universum, selbst Licht kann nicht mehr entweichen, weshalb sie sich nicht direkt beobachten lassen.
„Entscheidend ist die Masse der Neutronensterne“, fasst Dr. Andreas Bauswein aus der GSI-Forschungsabteilung Theorie die Studie zusammen. „Überschreitet die Gesamtmasse des Doppelsternsystems eine bestimmte Grenze, ist der Kollaps zum Schwarzen Loch unausweichlich.“ Wo genau diese Grenzmasse liegt, hängt jedoch von den Eigenschaften hochdichter Kernmaterie ab. Diese Eigenschaften sind im Detail noch nicht genau bekannt und werden zum Beispiel auch in viel kleinerem Maßstab bei Kollisionen von Atomkernen an den Beschleunigereinrichtungen bei GSI untersucht. In diesen Schwerionenstößen werden tatsächlich ähnliche Bedingungen wie bei Neutronensternverschmelzungen erzeugt. Basierend auf theoretischen Überlegungen und Experimenten mit Schwerionenstößen, können bestimmte Modelle (sogenannte Zustandsgleichungen) von Neutronensternmaterie berechnet werden.
Für zahlreiche solcher Zustandsgleichungen konnte die Studie nun die Grenzmasse berechnen. Das Ergebnis: Lässt sich Neutronensternmaterie beziehungsweise Kernmaterie leicht komprimieren – ist die Materie/Zustandsgleichung also „weich“ –, führt schon die Kollision von relativ leichten Sternen zur Bildung eines Schwarzen Loches. „Steife“, schwer komprimierbare Kernmaterie dagegen kann größere Massen gegen den sogenannten Gravitationskollaps stabilisieren, und es bildet sich nur ein sehr schwerer rotierender Neutronenstern als Überbleibsel der Kollision. Die Grenzmasse selbst gibt also Auskunft über die Eigenschaften von Kernmaterie und könnte laut der neuesten Studie sogar klären, ob sich während der Kollision die Kernbausteine in ihre Bestandsteile, die Quarks, auflösen.
„Das ist deshalb spannend, weil wir die Grenzmasse in Zukunft aus Beobachtungen ableiten können“, ergänzt Professor Nikolaos Stergioulas vom Fachbereich Physik der Aristoteles-Universität Thessaloniki in Griechenland. Vor wenigen Jahren wurde zum ersten Mal eine Neutronensternverschmelzung mittels Gravitationswellen beobachtet, und einige Stunden später konnten Teleskope das optische Signal der Verschmelzung finden. Bildet sich ein Schwarzes Loch, ist dieses optische Signal der Kollision jedoch sehr schwach. Die Teleskopdaten verraten demnach, ob sich ein Schwarzes Loch gebildet hat. Gleichzeitig kann aus der Form des Gravitationswellensignals die Gesamtmasse bestimmt werden: Je lauter beziehungsweise stärker das Signal ist, umso schwerer waren die Sterne.
Während Gravitationswellendetektoren und Teleskope auf die nächste Neutronensternverschmelzung warten, werden in Darmstadt die Weichen für noch detailliertere Erkenntnisse gestellt. Mit dem neuen Beschleunigerzentrum FAIR, das derzeit bei GSI entsteht, können die Bedingungen in Neutronensternverschmelzungen künftig noch realistischer nachgebildet werden. Schließlich wird nur die Kombination aus astronomischen Beobachtungen, Computer-Simulationen und Schwerionen-Experimenten die Fragen nach den fundamentalen Bausteinen der Materie und deren Eigenschaften klären können und damit auch die Frage, wann der Kollaps zum Schwarzen Loch auftritt. (CP/BP)