Komplexer Leistungstest bei Tieftemperatur: Testaufbau eines SIS100-Abschnitts liefert erfolgreiche Ergebnisse

19.02.2024

Ein wegweisender Fortschritt wurde vor kurzem für den großen FAIR-Ringbeschleunigers SIS 100 erzielt: An der Serientesteinrichtung STF auf dem GSI-/FAIR-Campus wurde ein Abschnitt des kryogenen Teils des SIS100 aufgebaut und anschließend erstmals bei der erforderlichen Betriebstemperatur von -269 Grad Celsius getestet. Dieser entscheidende Schritt, der sogenannte Stringtest, markiert beim Bau großer supraleitender Kreisbeschleuniger einen bedeutenden, finalen Meilenstein. Er dient vor allem dazu, die Schnittstellen und das reibungslose Zusammenspiel verschiedener Komponenten zu testen, insbesondere im Verbindungsbereich der kalten Massen. Der Stringtest ist somit der wichtigste Meilenstein für die Designverifikation und die Performance vor Beginn der eigentlichen Installation.

Der nun an der STF realisierte Aufbau entspricht einem zusammenhängenden Abschnitt des SIS100-Bogens, bestehend aus zwei Dipolmodulen und einem Quadrupolmodul. Teil des Aufbaus sind noch weitere wichtige und technisch anspruchsvolle kryogene Komponenten der lokalen Kryogenik, wie die Bypass-Leitungen und die Endboxen, die jeden Bogen abschließen.

Im FAIR-Projekt spielt die Kryotechnik eine zentrale Rolle. Im Ringbeschleuniger SIS100 werden supraleitende Magnete eingesetzt, um die extrem schnellen Teilchen zu lenken und gleichzeitig einen extrem niedrigen Restgasdruck (Vakuum) im Strahlrohr herzustellen. Supraleitung ist nur mithilfe von ausgefeilter Kryotechnik zu erreichen. Sie muss die erforderliche Tiefsttemperatur entlang der Magnetketten im gesamten Ringsystem des SIS100 aufrechterhalten, die zum Betrieb benötigt wird.

Alle Module enthalten technologisch höchst anspruchsvolle, zukunftsweisende Komponenten. Insbesondere wird der Strom zur Erzeugung der strahlführenden Magnetfelder in speziellen supraleitenden Kabeln geführt. Zur Kühlung dieser Kabel und der sogenannten kalten Magnetmassen wird flüssiges Helium über ein hydraulisches System transportiert und in parallele Kühlkreisläufe verteilt. Erst in der Nähe der Betriebstemperatur von -269 Grad Celcius bricht der elektrische Widerstand in den Kabeln zusammen und die Supraleitung wird aufgebaut. Deshalb ist eine wesentliche Frage, die am Stringtest untersucht werden soll, ob die Kühlung in den parallelen Kreisläufen in jedem Betriebszustand ausreicht, um die Supraleitung aufrecht zu halten. In den parallelen Kühlkreisläufen sind ähnliche Abgleiche notwendig wie in einer konventionellen Heizungsanlage. Der hydraulische Widerstand muss so eingestellt werden, dass ein ausreichender Massenfluss in jedem der parallelen Kühlkreisläufe gewährleistet ist, ohne dass der Druck im Gesamtsystem zu stark abfällt.

Jede einzelne Baugruppe wurde bei den Herstellern umfangreichen Tests unterzogen und durch den Subprojektbereich SIS100/SIS18 bei GSI/FAIR abgenommen. Lediglich die mit dem Zusammenbau des Stringtests hergestellten Verbindungsbereiche der großen supraleitenden Module konnten nicht vorab geprüft werden. Diese Verbindungsbereiche sind hohen Kräften und Beanspruchungen ausgesetzt. Insbesondere bei dem geforderten Prüfdruck von 28 bar treten hohe laterale Kräfte auf die Prozessleitungen auf, die über geeignete Stützkonstruktionen abgefangen werden müssen. Auch die Längenkontraktion der kalten Massen der einzelnen Module wirkt sich in den Verbindungsbereichen aus und muss, um Beschädigungen an den Komponenten zu verhindern, im Design angemessen berücksichtigt werden mussten.

Beim Zusammenbau des Stringtests wurden die verschiedenen Arbeitsschritte erstmalig durchgeführt und dokumentiert. Zu den Abläufen, die auch beim Einbau in den SIS100-Tunnel entscheidend sein werden, gehören beispielsweise das Schweißen der Prozessleitungen, das Schließen des ebenfalls kryogenen Vakuumsystems und das Verlöten der supraleitenden Kabel. Jeder dieser Arbeitsschritte wurde auf Basis des Stringtest-Aufbaus in Form von Arbeitsanweisungen, Prüfplänen und Prüfprotokollen für die spätere Tunnelmontage dokumentiert. Der Aufbau wurde in Zusammenarbeit mit in der Beschleunigermontage erfahrenen Ingenieur*innen des Instituts für Kernphysik der Polnischen Akademie der Wissenschaften (IFJ PAN) Krakau durchgeführt.

Der Stringtest-Aufbau hat zu zahlreichen wichtigen Erkenntnissen in Bezug auf die Zusammenbaubarkeit der Baugruppen und deren Konstruktion geführt. Die Erkenntnisse werden für eine finale Design-Optimierung genutzt. Bereits im ersten thermischen Zyklus (Testlauf mit regelmäßiger Temperaturänderung, Erwärmen und Abkühlen) gelang es, alle Magnete so mit Strom zu versorgen, wie es zukünftig im SIS100 vorgesehen ist. Auch beim Betrieb mit voller Leistung (maximale Ramprate und Stromstärke) wurde ein stabiler Betrieb der supraleitenden Magnete ohne Quench (plötzlicher, unerwünschter Übergang eines Supraleiters in den normalleitenden Zustand) beobachtet.

Auch weitere wesentliche Designanforderungen und Kühlkonzepte konnten erstmals in einem größeren Vakuumbereich unter Beweise gestellt werden. Die auf -263 °C abgekühlten Kammerwände des Ultrahochvakuum-Systems fungierten wie geplant als „Superpumpe“ und waren durch Ausfrieren der Restgasteilchen in der Lage, einen Druck von <10-12 mbar herzustellen.

Der String wird in den nächsten Monaten in vielen thermischen Zyklen im Detail weiter untersucht. Dabei spielt auch das sogenannte „Übersprechen“ zwischen den einzelnen Stromkreisen der Hauptmagnete eine Rolle. Dabei muss die Wechselwirkung der Stromkreise über deren elektromagnetische Felder hinreichend klein sein, sodass der präzise Verlauf der Ströme im Beschleunigungsprozess nicht gestört wird. Die Präzision der Ströme darf auch bei den geplanten schnellen Stromänderungen (Ramprate von bis zu 29 000 Ampere/Sekunde) und Strömen von bis zu 13 000 Ampere zu jedem Zeitpunkt nicht mehr als 0,01 Prozent vom Sollwert abweichen.

Die vorliegenden Ergebnisse lassen erwarten, dass der Aufbau des SIS100 wie geplant erfolgen kann. Das Expertengremium MAC (Machine Advisory Committee), dessen Aufgabe die Beratung zur technischen Ausgestaltung und Betrieb der FAIR-Anlage ist, hat die Fertigstellung des String-Tests als wichtigen Projektfortschritt eingestuft. (BP)



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