Serienproduktion und Serientests der SIS100-Dipole für den großen FAIR-Beschleunigerring sind abgeschlossen

08.07.2021

Ein weiterer entscheidender Etappenschritt auf dem Weg zur Fertigstellung des großen Ringbeschleunigers SIS100, des Herzstücks des künftigen Beschleunigerzentrums FAIR, ist erfolgt: Die Produktion aller 110 supraleitenden Dipolmagnete für den neuen Schwerionenbeschleuniger mit 1,1 Kilometern Umfang ist abgeschlossen, ebenso die entsprechenden Kalttests bei der endgültigen Betriebstemperatur von -269 Grad.

Im FAIR-Ringbeschleuniger werden verschiedene ausgefeilte Magnete und ganze Magnetsysteme dafür sorgen, dass der Ionenstrahl präzise gelenkt und fokussiert wird. Zu ihnen gehören auch die supraleitenden Dipolmodule. Insgesamt wurden 110 Dipolmagnete für FAIR produziert, 108 werden im Ringbeschleuniger-Tunnel installiert, zwei weitere sind Ersatzmagnete. Die Dipole, die vor allem zur Umlenkung des Teilchenstrahls eingesetzt werden, machen somit mehr als ein Viertel aller 415 im SIS100 verwendeten schnell gerampte supraleitenden Magnete aus.

Die erfolgreiche Herstellung dieser Dipolmodule und ihr Testen stellt die größte je im Auftrag von GSI gefertigte Serie von Beschleunigerkomponenten dar. Der Abschluss ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Installation im Tunnel, die voraussichtlich in der zweiten Hälfte nächsten Jahres beginnen soll. Die Firma Bilfinger Noell in Würzburg, eine der wenigen europäischen Hersteller für supraleitende Magnete, war mit der Serienproduktion beauftragt.

Die SIS100-Dipolmagnete sind sogenannten Superferric-Magnete, bestehend aus einer supraleitenden Spule und einem Eisenjoch zur Führung des Magnetfeldes. Das Besondere an den Magneten ist die supraleitende Spule, in der ein spezielles supraleitendes Kabel zum Einsatz kommt. Dieses Nuklotronkabel – entwickelt wurde ursprünglich für den Kreisbeschleuniger Nuklotron am Joint Institute for Nuclear Research (JINR) im russischen Dubna – eignet sich besonders zur Erzeugung schnell gerampter Magnetfelder.

Das Kabel besteht aus einem Kupfer-Nickel-Röhrchen, um das Stränge aus Niobium-Titanium, einem gebräuchlichen Supraleiter, gewickelt sind. Das ursprüngliche Design wurde in Hinblick auf die Anforderungen von FAIR optimiert. Es wird mit flüssigem Helium gekühlt und bei einer Temperatur von 4,5 Kelvin betrieben (das entspricht 4,5 Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt bei rund -273 Grad). Das Design der Magneten erlaubt es, Vakuumkammern für den Ionenstrahl zu integrieren, deren Wandtemperatur ebenfalls knapp über dem absoluten Nullpunkt liegt. Damit wirken die Kammerwände wie eine Superpumpe, an denen die restlichen Teilchen des Strahlvakuums heften bleiben. Der in dieser Weise ermöglichte extrem niedrige Restgasdruck ist zwingende Voraussetzung zur Beschleunigung von Schwerionenstrahlen höchster Intensitäten. Höchste Teilchenintensitäten gehören zu den Spezifikationen der FAIR-Anlage, die eine große Vielfalt neuer Experimentiermöglichkeiten bietet.

Jeder der etwa drei Tonnen schweren und drei Meter langen Magnete wurde einem umfangreichen Prüfprogramm unterzogen: Die Qualitätskontrolle der Produktion und verschiedene Tests erfolgten vor der Auslieferung nach Darmstadt unter Raumtemperatur-Bedingungen in Würzburg. Unter anderem wurde die geometrische Präzision der inneren Apertur und die elektrischen Eigenschaften der Spule im Rahmen des sogenannten FAT (Factory Acceptance Tests) vermessen. Es gelang der Firma Bilfinger Noell, die Fertigung über die gesamte Serie so präzise zu gestalten, dass die Abweichungen der Geometrie der feldbestimmenden Polschuhe stets kleiner als 50 Mikrometer von der Sollgeometrie waren.

Nach der Lieferung zu GSI wurden alle 110 Dipolmodule einem SAT (Site Acceptance Test) unterzogen, der auch Leistungstests bei der finalen Betriebstemperatur von 4,5 K umfasste. Um die Magnete auf diese Temperatur abkühlen zu können, wurde bei GSI eigens eine aufwendige, fast 700 Quadratmeter große Testeinrichtung mit Kryoanlage für supraleitende Beschleunigermagnete (STF, Series Test Facility) aufgebaut. Sie verfügt über vier sogenannte Feed-Boxen, an die die Dipolmodule angeschlossen werden und in unterschiedlichen Phasen parallel getestet werden konnten. Mit einem eigens beschafften Hochleistungsnetzteil konnten die Module im Leistungstest mit Stromstärken bis zu 17 Kiloampere bei Stromanstiegsraten von 28.000 Ampere pro Sekunde versorgt werden.

Das Testprogramm für alle 110 Dipolmodule wurde in jahrelanger Zusammenarbeit von Mitarbeitenden verschiedener Fachbereiche und Abteilungen durchgeführt. In einem letzten Integrationsschritt werden nun noch die dünnwandigen Dipolkammern eingebaut, die bei der Firma PINK Vakuumtechnik in Wertheim produziert werden. (BP)



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