Renommierte europäische Forschungsförderung mit engen Verbindungen zu GSI/FAIR

09.03.2021

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) gewährt jedes Jahr mehrere äußerst renommierte Forschungsförderpreise für die Spitzenforschung. Die herausragende Qualität der wissenschaftlichen Forschung bei GSI und FAIR war im vergangenen Jahr gleich mit zwei „ERC Advanced Grants“ für die GSI-Physiker Marco Durante und Gabriel Martínez-Pinedo direkt gewürdigt worden. Außerdem besitzen GSI und FAIR auch große Anziehungskraft für ERC-Grant-Preisträger anderer Forschungseinrichtungen, die über ihre Fachthemen eng mit GSI/FAIR verbunden sind oder hier den experimentellen Teil ihres Projektes umsetzen. Die jüngsten Beispiele hierfür: Professor Evgeny Epelbaum von der Ruhr-Universität Bochum und Dr. Kathrin Wimmer vom Spanish National Research Council (CSIC).

Dr. Kathrin Wimmer vom Institut für Struktur der Materie (IEM-CSIC) koordiniert das Projekt LISA (Lifetime measurements with Solid Active targets), das seltene Atomkerne mit innovativen Detektoren und hochauflösender Gammastrahlenspektroskopie messen will. Für den praktischen Forschungsteil wird sie im Rahmen ihres gerade verliehenen „ERC Consolidator Grants“ auch die GSI-/FAIR-Einrichtungen nutzen.

Ziel des LISA-Projekts ist die Entwicklung einer neuartigen Methode zur Lebensdauermessung in Atomkernen. Lebensdauern beschreiben die Kollektivität eines Kerns anhand seiner elektromagnetischen Übergangseigenschaften. Der experimentelle Ansatz basiert auf einem aktiven Target unter Verwendung neuartiger Diamantdetektoren und wird die Möglichkeiten für Messungen in exotischen Kernen dramatisch verbessern. In Verbindung mit dem hochmodernen Gammastrahlen-Tracking-Detektor AGATA wird LISA die gegenwärtigen Herausforderungen von Lebensdauermessungen mit Strahlen instabiler Kerne geringer Intensität erfüllen.

LISA wird die einzigartigen Fähigkeiten des bei GSI entstehenden Beschleunigerzentrums FAIR nutzen. Die zukünftige Fragmentierungsanlage soll die exotischsten und intensivsten radioaktiven Ionenstrahlen liefern. LISA wird das Kernstrukturprogramm von HISPEC, einem herausragenden Projekt innerhalb der NUSTAR-Wissenschaftssäule bei FAIR, erheblich erweitern. Die Ergebnisse werden einen signifikanten Einfluss auf die theoretische Beschreibung und die Modellierung von Atomkernen haben, wodurch ihre Vorhersagen zuverlässiger werden. Die Preisträgerin Dr. Kathrin Wimmer, gegenwärtig am CSIC in Madrid tätig, und Dr. Jürgen Gerl, NUSTAR-Koordinator und Leiter der Kernstrukturabteilung der GSI, freuen sich sehr auf die gemeinsame Arbeit an dem spannenden LISA-Projekt bei GSI.

Professor Evgeny Epelbaum ist über sein mit einem „ERC Advanced Grant“ gefördertes Projekt „Nuclear Theory from First Principles“ thematisch eng mit GSI/FAIR verbunden. In dem Projekt will der Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Physik der Ruhr-Universität Bochum (RUB) mit theoretischen Methoden die Kräfte beschreiben, die zwischen drei Kernteilchen wirken.

Paarweise Wechselwirkungen zwischen zwei Nukleonen sind bereits relativ gut verstanden. Somit können Physiker beschreiben, was im Inneren des einfachsten Atomkerns – bestehend aus zwei Nukleonen – vor sich geht. Ganz anders sieht es aus, wenn man kompliziertere Atomkerne bestehend aus drei oder mehr Nukleonen betrachtet. Hier geben die Wechselwirkungen bislang Rätsel auf. An dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt von Evgeny Epelbaum an. Er will mit seinem Team die Kräfte beschreiben, die in einem System aus drei und mehr Nukleonen wirken. Dazu nutzen die Wissenschaftler*innen einen theoretischen Zugang, der als effektive Feldtheorie bekannt ist und in der Teilchenphysik eine breite Anwendung findet. Mit diesem Ansatz hat die Bochumer Gruppe in der Vergangenheit bereits präzise die Wechselwirkungen zwischen zwei Nukleonen beschrieben. Nun wollen sie den Ansatz auf Drei-Teilchen-Kräfte übertragen.

Mithilfe der im Rahmen des ERC Grants entwickelten Theorie will das Team außerdem die vorhandenen experimentellen Daten für das Drei-Nukleonen-System analysieren. Experimente zum Verständnis von Mehr-Nukleonen-Systemen sind wesentlicher Bestandteil des FAIR-Forschungsprogramms im Bereich Kernstruktur. Ziel des Teams ist es, die Diskrepanzen zwischen Theorie und Experiment aufzulösen. Des Weiteren sind numerische Simulationen für komplexere nukleare Systeme geplant, die aus noch mehr Teilchen bestehen, um Zusammenhänge zwischen den Kernkräften und ihre Eigenschaften zu ergründen. Solche Simulationen erlauben auch Einblicke in Bereiche, die keiner experimentellen Untersuchung zugänglich sind. So lässt sich beispielsweise erforschen, wie die Eigenschaften von Atomkernen oder Prozesse in den Sternen von Naturkonstanten – wie der Masse der Quarks – abhängen.

Ein weiteres Beispiel aus dem Jahr 2020 für herausragende, mit einem ERC-Grant gewürdigte Forschende ist auch Professorin Beatriz Jurado vom Centre Etudes Nucléaires de Bordeaux Gradignan (CENBG), die zeitgleich mit den GSI-Physikern Professor Marco Durante und Professor Gabriel Martínez-Pinedo einen „ERC Advanced Grant“ erhalten hatte, und ebenfalls die Forschungseinrichtungen von GSI/FAIR für die Umsetzung des experimentellen Teils ihres ERC-Grant-Projektes nutzen wird. Ziel ihres Projekts mit dem Titel „Nuclear rEaCTions At storage Rings (NECTAR)“ ist die Entwicklung einer neuen Methodik zur indirekten Bestimmung von neutroneninduzierten Querschnitten instabiler Kerne. Diese Querschnitte sind wesentlich für die nukleare Astrophysik. Das Projekt von Beatriz Jurado soll in seinem experimentellen Teil ebenfalls an der Beschleunigeranlage auf dem GSI/FAIR-Campus im Rahmen von FAIR-Phase 0 umgesetzt werden, genutzt werden die Speicherringe ESR und CRYRING.

Der Wissenschaftliche Geschäftsführer von GSI und FAIR, Professor Paolo Giubellino, zeigte sich begeistert, dass zusätzlich zu den eigenen Wissenschaftler*innen gleich mehrere von der EU ausgezeichnete Forschende mit GSI/FAIR eng verbunden sind: „Ich freue mich, dass die Forschungs-Community ihr Interesse an den GSI-/FAIR-Forschungsanlagen und der hier betriebenen Wissenschaft zeigt und dass der erstklassige Stellenwert dieser Themen von den ERC-Grant-Gremien anerkannt wird.“ (BP)



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