Beschleuniger bändigen im Hauptkontrollraum

Die GSI-Beschleunigeranlage besteht aus 2500 einzelnen elektrisch steuerbaren Komponenten, wie Magnete, Vakuumpumpen und Messinstrumente. Für die Ingenieur*innen ist es unmöglich, alle Komponenten noch einzeln per Hand einzustellen. Deshalb laufen die Signale aller Instrumente im Hauptkontrollraum zusammen. Alle Anlagen werden von hier aus gesteuert – von der Ionenquelle, über die Linearbeschleuniger UNILAC und den Ringbeschleuniger SIS, dem Experimentierspeicherring (ESR) bis hin zu den Magneten, Strippern und Elektroden, die den Ionenstrahl zum richtigen Experiment weiterleiten.

Damit die Operateur*innen nicht den Überblick verlieren, ist der Hauptkontrollraum in drei separate Bereiche für UNILAC, SIS und ESR gegliedert, die von jeweils einer Person bedient werden. Jeder Arbeitsplatz besteht aus mehreren Bildschirmen, Bedienelementen und Oszillografen.

Uwe Scheeler, Leitung der Betriebsgruppe bei GSI: „Bei der komplexen Arbeitsweise des Beschleunigers ist es wichtig, dass die anfallenden Daten über die Maschine strukturiert dargestellt werden. Man muss den Überblick behalten können“, erklärt er. Eine Maschine mit so vielen Einzelteilen bedienbar zu machen – das ist eine große Herausforderung für die Programmierer*innen. Die Software wird in der IT-Abteilung bei GSI entwickelt und ständig angepasst.

Ionenstrahl nach Wunsch

Die Aufgabe der Operateur*innen im Hauptkontrollraum ist es, genau den Ionenstrahl zu erzeugen, den die Forschenden in der Experimentierhalle benötigen. Dabei gibt es unendlich viele Möglichkeiten: Die Quellen bei GSI können Ionen jedes natürlich auf der Erde vorkommenden Elements erzeugen, dazu in verschiedenen Ladungen, mit verschiedener Intensität, Stromstärke und in Bleistift- oder Ast-Dicke.

Die Forschenden, die den Ionenstrahl für ihre Experimente verwenden, kommen selten mit der Beschleunigeranlage in Kontakt. Sie wissen, welche Art von Strahl sie für ihr Experiment benötigen. Diese „Wünsche“ geben sie an die Operateur*innen im Hauptkontrollraum. Deren Aufgabe ist es, den Forschenden genau diesen Ionenstrahl zu liefern.

Für jede Strahlsorte muss der Beschleuniger unterschiedlich eingestellt werden. Um möglichst viel Forschung zu betreiben, wird nicht nur ein Experiment mit schnellen Ionen bedient. Zum Beispiel: Nach einem Schuss Kohlenstoffionen für die Biophysiker*innen wird eine Portion Gold-Ionen für die Kernphysiker*innen beschleunigt und anschließend Zinn, um neue Elemente zu entdecken. So können bis zu sechs Experimente gleichzeitig mit Ionenstrahlen versorgt werden. Denn für die Umstellung auf die verschiedenen Strahlsorten brauchen die Magnete im Linearbeschleuniger nur etwa 15 Millisekunden, im SIS dauert es knapp zwei Sekunden. Ist der Strahl optimal eingestellt, überwachen die Operateur*innen die Eigenschaften genau und gleichen sie an, wenn nötig.

Fehlersuche braucht Erfahrung

Kommt es zu einer Fehlfunktion am Beschleuniger, ist es die erste Herausforderung, die Ursache des Fehlers zu finden. „Die Operateur*innen leben von ihrer Erfahrung“, weiß Uwe Scheeler. „Um ein Problem beheben zu können, muss ich wissen, wie ich Informationen über den Fehler zusammentrage.“

Meistens hilft die Software dabei die Fehlerursache zu finden und zu beheben. Das oberste Ziel ist es, den Experimentierbetrieb so wenig wie möglich zu beeinflussen. Das Abschalten und erneute Hochfahren der Beschleunigeranlage ist mit großem Aufwand verbunden. Bis die Parameter des Strahls nach einem Neustart wieder stimmen, tüfteln die Operateur*innen bis zu vier Stunden für den SIS, beim Linearbeschleuniger UNILAC sogar bis zu acht Stunden.

Arbeit im Drei-Schichten-Betrieb

„Insgesamt kommen wir jährlich auf 6400 Stunden Strahlzeit, das sind zusammengerechnet etwa acht bis neun Monate“, berichtet Uwe Scheeler. Während einer Strahlzeit läuft der Beschleuniger 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. Die Operateur*innen arbeiten in drei Schichten. Zusätzlich sind jederzeit Physiker*innen und Techniker*innen in Rufbereitschaften, falls sich ein Problem nicht umgehend lösen lässt. „Die Arbeit hier erfordert ein hohes Maß an Konzentration, aber auch Kommunikation und Teamfähigkeit.“ Einige Probleme sind nicht vorhersehbar. Aber das, so Scheeler, mache die Arbeit sehr abwechslungsreich. Oft müsse auch erst ausprobiert werden, wie ein Ionenstrahl am besten laufe.

Neue Herausforderung mit FAIR

Wenn die neue Beschleunigeranlage FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research) steht, müssen vom Hauptkontrollraum aus noch weitere Beschleuniger gesteuert werden. Dafür wird die Fläche des Hauptkontrollraums auf das eineinhalbfache wachsen. Um die riesige Menge an Daten noch besser verwalten zu können, arbeiteten Softwareingenieur*innen bei GSI bereits an neuen Programmen. Viele Bedienfelder sollen noch kompakter und übersichtlicher werden. „Bis wir mit dem neuen Beschleuniger Experimente durchführen können, ist es noch ein weiter Weg“, sagt Uwe Scheeler. „Wir werden Schritt für Schritt arbeiten, dafür ist eine genaue Planung notwendig.“


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