Immunogenität und Immunmodulation von Strahlung

Dr. Alexander Helm

Ähnlich zu möglichen anti-inflammatorischen und immununterdrückenden Effekten von niedrigen Strahlendosen auf Organismen können höhere Strahlendosen Immunreaktionen auslösen, die das Behandlungsergebnis verbessern können. Solche Reaktionen will man sich insbesondere in der Therapie metastasierter Tumore zu Nutze machen und setzt daher auf eine Kombination aus Strahlung und Immuntherapien. In unseren Forschungsarbeiten untersuchen wir das Ansprechen von (strahlenresistenten) Tumorzellen auf Strahlung mit niedrigem und hohem LET (Linearem Energietransfer, Photonen versus Partikel), mit dem Ziel das Abtöten von Tumorzellen durch die Aktivierung einer Immunantwort zu unterstützen [16, 17]. In einem in vivo Modellsystem (Osteosarkom, Metastasen in der Lunge) konnten wir nachweisen, dass Kohlenstoffionen – in Kombination mit einer Immuntherapie (sog. Checkpoint Inhibitoren), aber auch allein – wirksamer Lungenmetastasen bekämpfen konnten als im Vergleich eingesetzte Photonen [18]. Unsere derzeitigen Forschungsaktivitäten widmen sich der Überprüfung dieser vielversprechenden Resultate in weiteren (humanen) Zelllinien sowie der Aufklärung involvierter Mechanismen und welche Rolle die Therapie mit Kohlenstoffionen dabei spielt. Dies untersuchen wir anhand diverser in vitro und in vivo Modelle.

Kohlenstofftherapie (CIRT) alleine resultiert bereits in einer Verringerung der Lungenmetastasen in einem Osteosarkom in vivo Modell im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle, was nicht der Fall ist, wenn mit konventioneller Strahlentherapie (Photonen, XRT) bestrahlt wird. Wenn zusätzlich Immuntherapie genutzt wird (Abbildung 8: zwei Arten von Checkpoint Inhibitoren, CPI, Anklicken zum Vergrößern), wird die immunogene Antwort verstärkt und die Zahl der Lungenmetastasen verringert sich weiter. Dies verdeutlich das enorme Potential von Kohlenstofftherapie in Verbindung mit Immuntherapie [17].

Strahlenantworten von humanen hämatopoetischen Stamm- und Progenitorzellen

Dr. Daniela Kraft

Sekundäre Krebserkrankungen ereignen sich Monate bis Jahre nach Einwirkung und sind ein wichtiges Thema im Strahlenschutz, für Strahlentherapie und bemannte Weltraummissionen. Einflüsse auf Prozesse der Selbsterneuerung und Differenzierung von hematopoetischen Stamm - und Progenitorzellen (HSPC) durch Strahleneinwirkung werden als Ursache für ein erhöhtes Risiko von strahleninduzierter Leukämie angenommen (rAML). Jedenfalls benötigt man für die Risikoeinschätzung für strahleninduzierte Leukämogenese vertiefte Kenntnisse über die Strahlenantworten von HSPC, insbesondere im Bezug auf deren genetischer Stabilität.
Daher untersuchten wir die Übertragung von chromosomalen Änderungen in HSPC, die Strahlung von niedrigem und hohem LET (bis zu 85 keV/µM) ausgesetzt waren. In Anbetracht bekannter Unterschiede im Bezug auf die genetische Stabilität und DNA - Reparaturfähigkeit zwischen murinen und humanen HSPC benutzten wir humane HSPC im Zuge einer Kooperation mit Prof. H. Bönig (Universität Frankfurt) (Abbildung 10, Anklicken zum Vergrößern). Unsere Resultate zeigten unabhängig vom LET keine chromosomale Instabilität, aber eine erhebliche Frequenz von klonalen chromosomalen Aberrationen in den Nachkommen bestrahlter HSPC [19, 20]. Um die Kapazität von HSPC zu korrekter DNA Reparatur zu durchleuchten, untersuchten wir die Qualitäten und molekularen Komponenten der Doppelstrangbruch (DSB) -reparatur im Vergleich zu reifen peripheren Blut-Lymphozyten mit Hilfe eines EGF - Plasmid - Reportersystems in HSPC in Kollaboration mit Prof. Dr. Wiesmüller (Universität Ulm). Wir konnten zeigen, dass HSPC eine DSB - Reparaturdefizienz durch vermindertes NFkB - Signaling zeigen (homologe Rekombination), was durch Schwerionenexposition bestätigt wurde und das Auftreten von klonalen Aberrationen in den folgenden Generationen nach der Exposition erklären konnte [21, 22].
Kürzlich starteten wir Untersuchungen zur Kombination von Mikroschwerkraft und hoch LET - Exposition in HSPC.

Neuroinflammation durch Weltraumstrahlung

Dr. Felicitas Rapp

Für einen geplanten längeren Weltraumaufenthalt, zum Beispiel bei einer zukünftigen Mission zum Mars, ist es wichtig, die Risiken für Astronaut*innen zu kennen. Wir untersuchen in einem Projekt, das von ESA und DLR finanziert wird, ob sich eine strahleninduzierte Neuroinflammation durch Testsubstanzen vermindern lässt. Hierzu verwenden wir ein organotypisches Hippocampus-Modell von Mäusen. Diese Hippocampus-Slice-Kulturen werden ex vivo mit weltraumrelevanten Schwerionen (Eisen-Ionen, Fe) bestrahlt und anschließend mit Testsubstanzen behandelt (Abb. 11 A+B). Danach nehmen wir zu verschiedenen Zeitpunkten, bis zu 29 Tage nach Bestrahlung, Proben und analysieren die Entzündungsreaktion. Diese wird vor allem durch die hirnständigen Immunzellen, die Mikroglia, vermittelt, so dass diese im Fokus unserer Arbeit sind. Wir haben ein System entwickelt, in dem die Mikroglia angefärbt und hinsichtlich ihrer entzündlichen Aktivierung durch konfokale Mikroskopie morphologisch ausgewertet werden (Abb. 11 C+D). Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit Dr. Sonja Kallendrusch und Prof. Ingo Bechmann (Institut für Anatomie, Universität Leipzig) durchgeführt. In Zukunft ist es geplant, diese Ergebnisse auf ein Mausmodell zu übertragen und die Auswirkungen der Weltraumstrahlung bzw. die Behandlung durch unsere Testsubstanzen auf die kognitiven Fähigkeiten der Mäuse zu erfassen. Hierbei sollen auch neuartige Methoden zur physikalischen Strahlungs-Abschirmung untersucht werden. Dieser Teil des Projekts wird zusammen mit Prof. Chiara LaTessa (Universität Trento, Italien) durchgeführt.

 

Durch Schwerionen induzierte späte Effekte in Gewebe

Dr. Julia Wiedermann

In anderen Projekten studiert unsere Gruppe späte Effekte durch Schwerionenexposition. Strahleninduzierte nichtmaligne Effekte beinhalten den Einfluss auf die Funktionalität von Geweben und Organen, der oft durch den Verlust von funktionalen Zellen oder Modifikationen im Differenzierungsprozess und folgender Reorganisation des Gewebes ausgelöst wird.
Die resultierenden Änderungen können Entzündungen erzeugen, also einen physiologischen Reparaturprozess, der im Fall von Fibrose chronisch werden kann. Die zunehmende Anwendung von geladenen Teilchen in der Strahlentherapie erfordert ein besseres Verständnis dieser Prozesse, insbesondere im Fall von Kohlenstoffionen.

Insbesondere Haut ist in vielen Szenarien Strahlung ausgesetzt. Wir untersuchen in einem anderen Projekt die frühe Antwort der Haut auf Kohlenstoff-Ionen-Exposition, deren molekulare Basis nicht gut verstanden ist. Um bisherige RBE Datensätze aus einem Schweinemodell [23] mit zellulären und molekularen Studien zu vervollständigen, nutzen wir mono- und Cokulturen von epidermalen Zellen einem Voll-Haut 3D Gewebe-Äqivalent, und ex vivo bestrahlte humane Haut von gesunden Spendern, bereitgestellt von unseren Kollaborationspartnern PD Dr. M. Podda und M. Kovacs (Klinikum Darmstadt) (Abbildung 12, klicken zum Vergrößern). Ähnlich zu Photonenexposition wurde die epidermale Gewebeorganisation bei niedrigen und die Differenzierung bei hohen Dosen von Kohlenstoffionen modifiziert, mit einer moderaten Erhöhung von inflammatorischen Zytokinen [24]. In laufenden Experimenten werden die Resultate in mit Kohlenstoffionen bestrahlter Schweinehaut verifiziert.

Diese Schweinehautproben wurden im Zuge von Experimenten im Rahmen einer Kollaboration mit MD I. Lehmann und MD D. Packer (Mayo Clinics, Rochester) erhalten, die der Erforschung der Möglichkeit der Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit gezielter Partikelstrahlung gewidmet ist. Hierzu wurden zunächst isolierte Schweineherzen ex vivo bestrahlt und zelluläre sowie molekulare Änderungen analysiert [25]. Anschließend wurden Schweine mit Kohlenstoff-Ionen bestrahlt, um zu zeigen, dass gewisse Reizleitungsstrukturen im Herz gezielt durch Strahlung deaktiviert werden können. Anschließend untersuchten wir die bestrahlten Bereiche der Herzen und charakterisierten die entstandenen Schäden im Zielbereich sowie im Eingangskanal (mit Dr. P. Simoniello, Parthenope Universität von Neapel) [29] (Abbildung 13, klicken zum Vergrößern).

Referenzen:

[16] Ebner et al. 2017, Front Immunol., 8:99 (2017)

[17] Helm et al. 2018, Int J Part Ther., 5:84-93 (2018)

[18] Helm et al. 2021, Int J Radiat Oncol Biol Phys., 109:594-602 (2021)

[19] Kraft et al., Mutat. Res., 777:43-51 (2015)

[20] Becker et al., IJRB, 85(11):1051-1059 (2009)

[21] Kraft et al., Leukemia, 29:1543-1554 (2015)

[22] Rall et al., Frontiers in Oncology, 5:250 (2015)

[23] Zacharias et al., Acta Oncologica, 36(6):637–642 (1997)

[24] Simoniello et al., Frontiers in Oncology, 5:294 (2016)

[25] Lehmann et al., Circ Arrhythm Electrophysiol. 8(2):429-38 (2015)

[26] Rödel et al., Front Immunol. 8:519 (2017)

[27] Durante et al., Trends Mol. Med., 19(9):565–82 (2013)

[28] Shreder et al., Int. J. Mol. Sci.19(9), 2717 (2018)

[29] Rapp et al., Sci Rep 9(1):5000 (2019)


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