Auswirkungen von Radon-Bestrahlung im Niedrigdosisbereich

Neben Photonen wird in Niedrigdosis - Strahlentherapie dicht ionisierender Strahlung z.B. in Radonbädern verwendet, um rheumatoide Arthritis, ankylosierende Spondylitis, muskuloskelettale Störungen, Schuppenflechte und andere Krankheiten zu behandeln (Abbildung 1). Die zellulären und molekularen Mechanismen, die der beobachteten Schmerzmilderung in Radonbädern zugrunde liegen, sind unbekannt.

 

GREWIS / GREWIS-alpha Konsortium

Daher begannen wir, die potentiell hilfreichen und gefährlichen Aspekte niedrig dosierter Radon-Exposition zu untersuchen. Um dies zu erreichen, arbeiten wir im Rahmen des GREWIS-Projektes mit Experten aus den Bereichen der Teilchenphysik, Zytogenetik, DNA-Reparatur, Immunologie und der molekularen Zellbiologie- und Physiologie zusammen, s. Helmholtz-Gemeinschaft. Das GREWS-alpha Konsortium umfasst sieben Arbeitsgruppen von vier Institutionen und assoziierten medizinischen Kooperationspartnern (Abbildung 2).

Prof. Dr. Claudia Fournier, Dr. Andreas Maier, Dr. Denise Eckert, Dr. Ayele Taddese Tsedeke

Die Forschungsgruppen der GREWIS-Projekte haben eine gemeinsame Strategie entwickelt, um verschiedene Aspekte des Risikos und des potentiell immunmodulierenden Effektes niedriger Strahlungsdosen zu untersuchen.
Wir arbeiten sowohl auf molekularer und zellulärer Ebene, als auch an Geweben und Tiermodellen (Abbildung 3A). Außerdem haben wir Zugang zu menschlichem Knochenmark (hämatopoetische und mesenchymale Stammzellen), Haut von gesunden Spendern, humane Kniegewebeproben (infrapatellare Fettpolster and Synovialmembran) und Blut von Patienten in der Radontherapie in der Radontherapie (RAD‐ON02, EudraCT 2016‐002085‐31) und der IMMO-LDRT-Studie (niedrigen Dosen Röntgenstrahlung) (IMMO‐LDRT; NCT02653079).
Für die Radonexposition wurde eine Kammer für die Exposition von Zellkulturen und Mäusen, mit kontrollierten Parametern wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Radonkonzentration entwickelt. So können vergleichbare Bedingungen wie während einer Radontherapie und auch darüber hinaus eingestellt werden (Abbildung 4, zum Vergrößern klicken) [1]. Zur Bestimmung des Diffusions- und Löslichkeitsverhaltens von Radon wurden Messverfahren und Auswertealgorithmen entwickelt [2]. Mittels molekulardynamischer Simulationen konnte zusätzlich eine ungleiche Verteilung von Radon zwischen Fettsäuren und isotoner Kochsalzlösung mechanistisch erklärt werden [3]. Zusätzlich wurde ein Aufbau zur Bestrahlung von Zellkulturen mit α-Teilchen konstruiert, welcher an der GSI und der TU Darmstadt verfügbar ist. Dazu wird eine Americium-241 Quelle verwendet, die eine vergleichbare α-Energie wie Radon-222 hat. Mit dieser können die Zellen auf dünnen Folien für definierte Zeitintervalle bestrahlt werden [4]. Außerdem nutzen wir schwere Ionen (Helium- und Kohlenstoff-Ionen) mit ähnlichen Charakteristiken wie die der α-Teilchen (Abbildung 3B).

Um die Dosis und damit auch das Risiko einer Radonexposition abschätzen zu können, wurde Messungen an einem freiwilligen Patienten nach der Heilstollentherapie durchgeführt. Die hier entwickelten Auswertemodelle können auf andere Anwendungen angewandt werden, beispielsweise zur Dosisabschätzung im Mausmodell oder in physikalischen Proben.

Biodosimetrie basierend auf DNA-Schadensmarkern nach Radonexposition wurde für verschiedene Organe etabliert und Referenzkurven mit Röntgenstrahlung gemessen. Da Blutgefäße ebenso wie die Interaktion von Endothelzellen der Blutgefäßwände und hämatopoetische Zellen eine Schlüsselrolle in den ersten Schritten der Immunantwort spielen, wurde eine Fließkammer konstruiert, um den Scherstreß des Blutflusses zu imitieren. Experimente werden in vitro mit humanen und murinen Primärzellen durchgeführt (hämatopoetische, Haut-, Knochen, Synovial- und Fettzellen; differenziert von Stamm- und Progenitorzellen von gesunden Spendern), sowie mit 3D Gewebeäquivalenten. In einem in vivo Ansatz werden das hTNF-α-transgene Mausmodell und das K/BxN Serumtransfermodell für Polyarthritis genutzt, um die Reifung und Aktivität von Immun- und Knochenzellen zu untersuchen.
Eine erste RAD-ON01 Studie hat gezeigt, dass Patienten nach einer Radonbehandlung verminderte Schmerzen aufweisen. Dies könnte auf eine Abnahme der Anzahl und der Aktivität von knochenresorbierenden Osteoklasten zurückzuführen sein und hat sich auch in der Patientenstudie zu Photonenstrahlung (IMMO-LDRT) bestätigt. Ebenso konnte im Plasma von Radon- und LDRT-Patienten ein Rückgang der Kollagen-Fragmente und eine geringere Aktivität eines am Knochenabbau beteiligten Enzyms (TRAP) nachgewiesen werden. In einer zweiten, laufenden RAD-ON02 Studie, wurde nun erstmals ein Cross-Over Design angewendet, d.h. es gibt an zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit jeweils den gleichen 100 Patienten jeweils eine Kontrollgruppe und eine Gruppe von Radon-exponierten Patienten. Dadurch soll ein möglicher Placebo-Effekt sichtbar gemacht werden. Nach einem Jahr werden die Patienten erneut behandelt, die Gruppen aber getauscht. Die Studie ist verblindet, d.h. es ist nicht weder Patienten, Ärzten noch den Forschern bekannt, welche Gruppe welche Behandlung bekommen hat. Dies ist vereinbar mit beobachteten funktionellen Änderungen infolge von Niedrigdosis – Photonenexposition (LDRT) im Polyarthritis - Mausmodell und den in vitro - Resultaten auf der molekularen Ebene (Abbildung 5, klicken zum Vergrößern) [5-14]. Der aktuelle Wissensstand zur möglichen Wirkung und dem Risiko einer Radontherapie wurde in einem Review zusammengefasst und publiziert [15].

GREWIS-verbundene Forschungsaktivitäten in unserer Gruppe

Referenzen:

[1] Maier et al., Nucl. Instr. Meth. Phys. Res. B, 362:187-193 (2015)

[2] Maier et al., Nucl. Instr. Meth. Phys. Res. B, 416:119-127 (2018)

[3] Sanjon et al., Scientific Reports 9,10768 (2019)

[4] Maier et al., Int. J. Radiat. Biol, 96:2, 206-213 (2020)

[5] Large et al., Rad. Oncology, 9:80 (2014)

[6] Large et al., Strahlenther Onkol, 191:742-749 (2015)

[7] Thangaraj et al., Chemico-Biological Interactions, 259B: 49-412 (2016)

[8] Roth et al., Pflügers Archive-European. J. Physiol. 467:1835-1849 (2014)

[9] Gibhardt et al., Scientific reports, 5:13861 (2015)

[10] Rühle et al., Autoimmunity, 50(2):133-140 (2017)

[11] Erbeldinger et al., Front Immunol., 8:627 (2017)

[12] Cucu et al., Front Immunol., 8:882 (2017)

[13] Maier et al., Nucl. Instr. Meth. Phys. Res. B, 416:119-127 (2018)

[14] Rühle et al., Modern Rheumatology, 29(1):165-172, (2019)

[15] Maier et al., Int. J. Mol. Sci. 22(1), 316 (2021)


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