Physik-Nobelpreisträger Giorgio Parisi leistet auch wesentliche Forschungsbeiträge für Forschung an GSI und FAIR

12.11.2021

Der Physik-Nobelpreis wird in diesem Jahr „für bahnbrechende Beiträge zu unserem Verständnis komplexer physikalischer Systeme“ vergeben. Eine Hälfe geht an Professor Giorgio Parisi „für die Entdeckung des Zusammenspiels von Unordnung und Fluktuationen in physikalischen Systemen vom atomaren bis zum planetarischen Maßstab“, die andere an die Klimaforscher Professor Syukuro Manabe und Professor Klaus Hasselmann „für die physikalische Modellierung des Erdklimas, die Quantifizierung der Variabilität und die zuverlässige Vorhersage der globalen Erwärmung“. Mit seinen Arbeiten leistet Giorgio Parisi auch wichtige Beiträge zur Forschung bei GSI und FAIR, so zum CBM-Experiment und insbesondere zum PANDA-Experiment, zwei der vier großen Forschungssäulen des künftigen internationalen Beschleunigerzentrums FAIR.

Die Geschäftsführung von GSI und FAIR gratuliert herzlich zum Nobelpreis: „Wir freuen uns sehr mit Giorgio Parisi, der neben seinen mit dem Nobelpreis gewürdigten Beiträgen für herausragende Wissenschaft im Bereich der Elementarteilchenphysik steht, wie sie auch auf unserem Campus an GSI und FAIR betrieben wird.“

Der Italiener Giorgio Parisi hat sich zusätzlich zu und zeitlich vor seinen nun ausgezeichneten Arbeiten zu „Unordnung und Fluktuationen in physikalischen Systemen“ mit der Physik der Elementarteilchen beschäftigt. Er leistete zusammen mit dem italienischen Physiker Nicola Cabibbo einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Phasenübergangs zwischen Quark-Gluon-Plasma und hadronischer Materie und machte im Rahmen der APE Kollaboration (Array Processor Experiment am Istituto Nazionale di Fisica Nucleare, INFN, in Italien) grundlegende Entdeckungen zur Struktur von Hadronen, insbesondere zu „Glueballs“. Seine bahnbrechende Veröffentlichung zusammen mit dem italienischen Physiker Guido Altarelli zu „Asymptotic freedom in parton language“ ( Nucl.Phys.B 126 (1977) 298-318 ) ist mit mehr als 7500 Zitationen eine der am meisten zitierten Arbeiten in der gesamten Kern-und Teilchenphysik und hat die Grundlagen gelegt für unser Verständnis der Rolle von Gluonen in Kollisionen zwischen Elementarteilchen und/oder Atomkernen bei hoher Energie. Sie hat zu den „DGLAP“-Gleichungen geführt, die zentral sind für die quantitative Beschreibung der allermeisten Hochenergie-Kollisionen.

Giorgio Parisis wissenschaftliche Ansätze werden auch in Zukunft viel Gewicht am künftigen Beschleunigerzentrum FAIR haben: Die Arbeit mit Cabibbo ist ein wichtiger Meilenstein für die Physik zum Quark-Gluon-Plasma und damit direkt verknüpft mit dem Physikprogramm des CBM Experimentes. Die Arbeiten mit der APE-Kollaboration und insbesondere die mit Altarelli, bilden unter vielem anderen auch die Basis für Forschung, die am PANDA-Experiment geplant sind.

Parisi hielt außerdem 2018 bei der „Quark Matter Konferenz“, der wichtigsten internationalen Konferenz auf diesem Gebiet, in Venedig den Eröffnungsvortrag zum wissenschaftlichen Programm mit dem Titel „Some considerations on the quark-gluon plasma“. Der erste Teil des Vortrags ging über das oben zitierten Cabibbo-Parisi-Papier und die heute noch aktuelle Frage der Thermalisierung in komplexen Systemen und bereitete damit den Boden zu wichtigen Diskussionen auf der Konferenz. Der zweite Teil beschäftigte sich mit der Struktur komplexer Systems, dem nun mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Forschungsbereich.

In der Mitteilung des Nobelpreiskomitees zur Würdigung von Giorgio Parisis Leistung heißt es: „Um 1980 entdeckte Giorgio Parisi verborgene Muster in ungeordneten komplexen Materialien. Seine Entdeckungen gehören zu den wichtigsten Beiträgen zur Theorie der komplexen Systeme. Sie ermöglichen es, viele verschiedene und scheinbar völlig zufällige Materialien und Phänomene zu verstehen und zu beschreiben, nicht nur in der Physik, sondern auch in anderen, sehr unterschiedlichen Bereichen wie Mathematik, Biologie, Neurowissenschaften und maschinelles Lernen.“

Diese Bandbreite betont auch der Wissenschaftliche Geschäftsführer von GSI und FAIR, Professor Paolo Giubellino: „Die Entscheidung des Nobelpreiskomitees zeigt, wie eng scheinbar entferntere Forschungsbereiche zusammenhängen und wie wichtig die grundlegenden Methodiken zur komplexen Beschreibung von ganz unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Phänomenen sind. Sie bringen sich gegenseitig voran und befruchten sich. Grundlagenforschung ist daher ganz entscheidend. Ich freue mich außerordentlich über diese besondere Würdigung der wissenschaftlichen Arbeit meines Kollegen und Freundes.“

Der gebürtige Römer Parisi schloss 1970 sein Physikstudium an der Universität La Sapienza in Rom ab, wo er seit 1992 Professor für Quantenphysik ist. Er arbeitet auf verschiedenen Teilgebieten der Physik, etwa der Hochenergiephysik, der Quantenchromodynamik, der Theorie der Phasenübergänge, der Statistischen Mechanik, der Mathematischen Physik, der Biophysik und in anderen Bereichen. (BP)



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