EU fördert vier Forschungsinfrastrukturprojekte mit starker GSI/FAIR-Beteiligung

15.02.2021

Mehrere GSI/FAIR-Forschungsfelder erhalten EU-Fördergelder in Millionenhöhe. Vier geplante Infrastrukturprojekte aus den Bereichen Tumortherapie mit schweren Ionen, innovative Methoden für industrielle Strahlentests und neue Technologie-Entwicklungen für Beschleunigeranlagen waren bei aktuellen EU-Ausschreibungen erfolgreich und haben Förderzusagen erhalten. FAIR und GSI sind an diesen Vorhaben, die in internationaler Zusammenarbeit realisiert werden, jeweils entscheidend beteiligt.

Der Wissenschaftliche Geschäftsführer von GSI und FAIR, Professor Paolo Giubellino zeigte sich begeistert von den Erfolgen: „Die Exzellenz von GSI und FAIR wird durch den Erfolg bei diesen Ausschreibungen einmal mehr unterstrichen. Ich freue mich sehr über diese Förderung, mit der die EU äußerst zukunftsträchtige Themenbereiche unterstützt. Unsere Forschenden gehören mit ihrer Expertise zu den jeweiligen Key Playern in den nun geförderten Feldern. Die Einbindung von GSI und FAIR in die Projekte bestätigt die Attraktivität unserer Forschungsinfrastrukturen für die internationale Forscher-Community.“

HITRIplus (Heavy Ion Therapy Research Integration plus) erhält die höchste Fördersumme, das heißt 680.000 Euro. Das Projekt wird in der Forschungsabteilung Biophysik unter der Leitung von Professor Marco Durante umgesetzt und vom Nationales Zentrum für onkologische Hadronentherapie CNAO im italienischen Pavia als Konsortialführer gebündelt. Das Ziel von HITRIplus ist es, präklinische und klinische Forschung in der Krebsbehandlung mit Schwerionenstrahlen integriert voranzutreiben und gleichzeitig die Spitzentechnologie gemeinsam weiterzuentwickeln.

Schwerionenstrahlen sind eine äußerst vielversprechende Behandlungsmethode, da sie effektiver als jede andere Behandlung für strahlenresistente Tumore sind. Der Ionenstrahl fokussiert sich auf das maligne Tumorgewebe bei gleichzeitiger Schonung der gesunden Organe. Ziel von HITRIplus ist die Verbesserung der Schwerionentherapie als hochmodernes Instrument zur Behandlung jener Tumore, die mit Röntgenstrahlen oder Protonen nicht heilbar sind und die mit Ionen bessere Überlebensraten, geringere Rezidive oder eine mildere Toxizität aufweisen.

Das HITRIplus-Konsortium bringt dabei zum ersten Mal alle bedeutenden europäischen Schwerionentherapiezentren mit führenden europäischen Unternehmen, Hochschulen und Forschungslaboren zusammen. Ziel ist der Aufbau einer starken, gesamteuropäischen Forschungsgemeinschaft für Schwerionentherapie. Die so entstehenden Netzwerke sollen die Forschung zur Schwerionentherapie, einschließlich der klinischen und vorklinischen Forschung, strukturieren und fördern und auch neue Beschleuniger- und Strahlführungstechnologien entwickeln. Geringere Kosten und Dimensionen neuer Anlagen sollen helfen, die Tumortherapie mit Ionen für noch mehr Kranke zugänglich zu machen und gleichzeitig der europäischen Industrie neue Märkte zu eröffnen.

Um innovative Methoden zur Strahlungsprüfung geht es bei dem Projekt RADNEXT (RADiation facility Network for the EXploration of effects for indusTry and research), das mit rund 342.000 Euro im Bereich GSI/FAIR gefördert wird. Die Betreuung des Projektes bei GSI/FAIR liegt bei den Forschungsabteilungen Materialforschung und Biophysik mit Ihren Leitungspersonen Professorin Christina Trautmann und Professor Marco Durante, koordinierend tätig ist das Europäische Forschungszentrum CERN. Bei RADNEXT geht es um neue Anwendungen unter anderem in den Industriesektoren Raumfahrt, Automobil, Kommunikationstechniken, Medizin und Beschleuniger, die koordinierte und schlanke Strahlen-Testmethoden erfordern.

Derzeit verfügt die Wirtschaft Europas noch nicht über ein koordiniertes Netzwerk von Prüfungseinrichtungen für diese Zwecke. Ein solches Netzwerk könnte beispielsweise kleine und mittlere Unternehmen, die in vielen Fällen Schwierigkeiten haben, Zugang zu den erforderlichen Testeinrichtungen zu erhalten, bei schnellen Innovationen entscheidend unterstützen. Neue Prüfmethoden können auch den Weg zu neuen Strahlenstandards ebnen, da die bestehenden hauptsächlich auf klassische Raumfahrtanwendungen und strahlungsgehärtete Komponenten fokussiert sind.

Die Forschungszentren können im Bereich Strahlentests eine Schlüsselrolle spielen, indem sie die ersten Schritte zur Schaffung eines nachhaltigen, koordinierten Netzes von Bestrahlungsprüfanlagen unternehmen. Damit kann schließlich auch eine veränderte Herangehensweise an die Strahlenevaluierung unterstützt werden, hin zu einer Evaluierung auf Grundlage einer Risikobewertung und Risikominderung statt einer vollständigen Risikovermeidung.

Weitere 353.000 Euro fließen über das Projekt I.FAST (Innovation Fostering in Accelerator Science and Technology) zu GSI/FAIR. Die EU-Ausschreibung rückt die Teilchenbeschleuniger selbst in den Mittelpunkt. Ihre Nutzung reicht von großen Anlagen, die der Grundlagenforschung gewidmet sind, bis hin zu einer Fülle von Einrichtungen, die Röntgen- oder Neutronenstrahlen für ein breites Spektrum wissenschaftlicher Disziplinen bereitstellen.

Fast 50 Institutionen sind bei dem Nachfolgeprojekt des ebenfalls bei CERN koordinierten ARIES-Programms, an dem GSI auch beteiligt ist, involviert. GSI/FAIR ist mit einem breit aufgestellten Team an Forschenden aus verschiedenen Themenbereichen erneut Teil des Konsortiums, was die vielfältige Kompetenz vor Ort unterstreicht. Das Projekt wird dabei von zahlreichen Beschleunigerfachgruppen beziehungsweise Forschungsabteilungen vorangetrieben. Es zielt darauf ab, neue Entwicklungen im Bereich der beschleunigergestützten Forschungsinfrastrukturen voranzutreiben und innovative Technologien zu fördern.

Über die wissenschaftlichen Laboratorien hinaus nimmt der Einsatz von Beschleunigern in Medizin und Industrie rasch zu. Teilchenbeschleuniger stehen heute vor entscheidenden Herausforderungen, beispielsweise im Hinblick auf Größe und Leistung der vorgesehenen Anlagen und hinsichtlich steigender Nachfrage nach Beschleunigern für die angewandte Wissenschaft. Das Projekt will dazu beitragen, leistungsfähigere und erschwinglichere Technologien zu entwickeln und den Energieverbrauch zu reduzieren. Dies könnte der Weg zu einer nachhaltigen nächsten Generation von Beschleunigern sein.

Durch die Einbeziehung der Industrie über 17 Industrieunternehmen im Konsortium soll I.FAST Innovationen schaffen und so die langfristige Entwicklung der Beschleunigertechnologien in Europa unterstützen. Alternative Beschleunigerkonzepte sollen erforscht, die Prototypisierung von Schlüsseltechnologien gefördert werden. Dazu gehören unter anderem Techniken zur Erhöhung der Helligkeit und Reduzierung der Abmessungen von Synchrotronlichtquellen, fortgeschrittene supraleitende Technologien zur Erzeugung höherer Felder bei geringerem Verbrauch sowie Strategien und technische Lösungen zur Verbesserung der Energieeffizienz.

Darüber hinaus ist die Abteilung Biophysik unter Leitung von Professor Marco Durante auch noch in geringerem Umfang an dem Projekt PRISMAP (PRoduction of high purity Isotopes by mass Separation for Medical Application) beteiligt, das vom CERN koordiniert wird. In diesem Rahmen fließen weitere 17.000 Euro zu GSI und FAIR. PRISMAP wird die wichtigsten europäischen Quellen für intensive Neutronen, Isotopen-Massenseparationseinrichtungen sowie Hochleistungsbeschleuniger und Zyklotrone mit führenden biomedizinischen Forschungsinstituten und Krankenhäusern zusammenbringen. Gemeinsam werden sie eine nachhaltige Quelle für hochreine neue Radionuklide bereitstellen, um die Frühphasenforschung für Radiopharmazeutika, zielgerichtete Medikamente gegen Krebs, Theranostik und personalisierte Medizin in Europa voranzutreiben.

Der Wissenschaftliche Geschäftsführer Paolo Giubellino merkt mit Blick auf die Projekte, die alle in internationalen Konsortien umgesetzt werden, abschließend an: „Wissenschaft ist eine globale Unternehmung, in der Fortschritte in Pionierinitiativen nur dann erfolgreich sein können, wenn sie auf internationaler Ebene ausgeführt werden. Für GSI/FAIR ist dies eine wesentliche, strategische Arbeitsweise, und wir werden mit unserer spezifischen Kompetenz und Erfahrung einen aktiven Beitrag zu diesen Programmen, die die zukünftige Forschung prägen werden, leisten können.“ (BP)



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