Perspektiven für künftige Tumortherapie: Erstmals neues FLASH-Verfahren für ultraschnelle, hochdosierte Schwerionen-Bestrahlung getestet

16.06.2021

Es könnte ein Durchbruch für zukünftige Tumorbehandlungen mit schweren Ionen werden und neue Wege ebnen: In der aktuellen Experimentierzeit FAIR-Phase-0 ist es am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und dem künftigen Beschleunigerzentrum FAIR erstmals gelungen, ein Kohlenstoffionen-FLASH-Experiment durchzuführen. Die beteiligten Wissenschaftler*innen waren in der Lage, die erforderlichen sehr hohen Dosisleistungen zu erreichen und Tumore zu bestrahlen. Der Erfolg war eine gemeinsame Anstrengung der GSI-Abteilung Biophysik und der Beschleunigercrew auf dem GSI-/FAIR-Campus in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ und dem Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT).

Das Thema FLASH-Bestrahlung steht weltweit stark im Fokus und ist auch ein Arbeitsschwerpunkt innerhalb der klinischen Radiobiologie bei der GSI-Biophysik. Das FLASH-Verfahren ist eine neue, vielversprechende Möglichkeit der Strahlentherapie. Das englisch Wort Flash bedeutet Blitz, in der Strahlenmedizin geht es entsprechend um eine ultrakurze und ultrahoch dosierte Bestrahlung, bei der die Behandlungsdosis in Zeitskalen von unter einer Sekunde abgegeben wird. Ziel ist es, bei der FLASH-Bestrahlung eine sehr hohe Strahlendosis in sehr kurzer Zeit zu applizieren. Bei der traditionellen Strahlentherapie, aber auch bei der Protonen- oder Ionentherapie werden den Erkrankten über einen längeren Zeitraum kleinere Strahlendosen verabreicht, während bei der FLASH-Strahlentherapie nur wenige kurze Bestrahlungen erforderlich sein könnten, die alle weniger als 100 Millisekunden dauern.

Jüngste In-vivo-Untersuchungen konnten im Bereich der Elektronenstrahlung bereits zeigen, dass ein FLASH-Verfahren mit einer ultrahohen Dosisrate weniger schädlich für gesundes Gewebe ist, aber genauso effizient wie konventionelle Dosisleistungsstrahlung, um das Tumorwachstum zu hemmen. Für die Protonen- und auch für die Ionenstrahl-Bestrahlung, wie sie der bei GSI entwickelten Tumortherapie mit Kohlenstoff-Ionen zugrunde liegt, ist ein solcher Effekt noch nicht nachgewiesen. Hier steht noch viel Forschungsarbeit an. Die Ergebnisse des aktuellen Experiments bei GSI werden nun ausgewertet und sollen zu neuem Erkenntnisgewinn beitragen.

Aber nicht nur wissenschaftlich, sondern auch technisch ist das Thema eine große Herausforderung: Bisher war eine solche FLASH-Technik nämlich nur an Elektronen- und Protonenbeschleunigern anwendbar. Während mit einem Zyklotron (Kreisbeschleuniger) die erforderlichen Dosisleistungen für Elektronen und Protonen erreicht werden kann, ist dies mit den in der Schwerionentherapie benötigten Synchrotrons wie dem SIS18 bei GSI schwieriger. Deshalb ist das aktuelle Experiment im Rahmen der FAIR-Phase 0 ein ganz entscheidender Schritt: Durch die Leistungssteigerung an der bestehenden GSI-Beschleunigeranlage im Rahmen der Vorbereitungen für FAIR kann nun auch für Kohlenstoff die nötige Dosisrate im Millisekunden-Bereich erreicht werden. Bevor das Verfahren bei Patient*innen routinemäßig zum Einsatz kommen kann, braucht es allerdings noch viel technische Entwicklung und viele Untersuchungen.

Der Leiter der GSI-Forschungsabteilung Biophysik, Professor Marco Durante, zeigte sich sehr erfreut über den wichtigen Erfolg bei der FLASH-Bestrahlung: „Es ist eine zukunftsweisende Methode, die das therapeutische Fenster in der Strahlentherapie erheblich vergrößern könnte. Es freut mich sehr, dass die Forschenden und das Beschleunigerteam demonstrieren konnten, dass es möglich ist, mit Kohlenstoffstrahlen Bedingungen zu erzeugen, wie sie für eine FLASH-Therapie von Tumoren notwendig sind. Wenn es gelingt, die große Wirkung und Präzision der Schwerionentherapie mit einer FLASH-Bestrahlung bei gleichbleibender Wirksamkeit und schädigungsarm für das gesunde Gewebe zu kombinieren, könnte dies den Weg für eine zukünftige Schwerionentherapie in einigen Jahren ebnen.“

Auch der Wissenschaftliche Geschäftsführer von GSI und FAIR, Professor Paolo Giubellino, ist sehr erfreut: „Die Kombination aus Expertise in Biophysik und Medizin sowie ingenieurstechnischer Spitzenleistung ermöglicht es, erste weltweit herausragende Experimente zur FLASH-Bestrahlung mit Ionenstrahlen durchzuführen. Daraus könnten sich wichtige Ergänzungen zu bestehenden Strahlentherapien ergeben. Die Anwendungen in der Tumortherapie sind eines der Forschungsgebiete, die von den jüngst erhöhten Intensitäten der GSI-Beschleuniger profitieren können. Die moderne Radiobiologie wird einen erheblichen Nutzen von Strahlen mit noch höheren Intensitäten haben, wie wir sie an der im Bau befindliche FAIR-Anlage bieten werden. FLASH ist ein erstes Beispiel für diese zukünftigen Arbeitsausrichtungen.“ (BP)



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