In der Falle: Neue Kühlmethode für geladene Teilchen entwickelt

25.08.2021

Diese Meldung basiert auf einer Pressemitteilung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Erstmals ist es Physiker*innen gelungen, eine neue Methode zur Kühlung von Protonen mithilfe lasergekühlter Ionen– in diesem Fall Beryllium-Ionen – erfolgreich umzusetzen. Das Besondere: In dem neuen Aufbau befinden sich die beiden „Teilchensorten“ in räumlich getrennten Fallen. Die Kühlleistung kann erstmals über einen elektrischen Schwingkreis und eine Distanz von neun Zentimetern von der einen in die andere Falle übertragen werden. So lassen sich die Protonen in einer der Fallen auf deutlich tiefere Temperaturen kühlen als dies ohne Beryllium möglich wäre, wie eine Arbeitsgruppe am Exzellenzcluster PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) im Rahmen der BASE-Kollaboration zeigen konnte.

Die neue Methode kann auf alle geladenen Teilchen angewendet werden, insbesondere auch auf Antiprotonen, für die es bisher noch keine andere Kühlmethode in diesen Temperaturbereich gibt. Hiermit lassen sich vor allem Experimente zum Vergleich von Materie und Antimaterie noch genauer realisieren. Die Ergebnisse sind in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Maßgeblich an der Entwicklung beteiligt waren neben der JGU das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg (MPIK) und das japanische Forschungszentrum RIKEN, sowie die Europäische Organisation für Kernforschung CERN, das GSI Helmholtzzentrum in Darmstadt sowie die Leibniz Universität Hannover.

Um präzise Messungen an einzelnen Ionen vornehmen zu können, müssen diese möglichst bewegungsarm in einer Falle eingeschlossen und gespeichert werden. Um diesen Zustand zu erreichen, wird den geladenen Teilchen Energie entzogen, wodurch sich ihre Temperatur vermindert. Mit dem neuen Zweifallen-Aufbau konnte das Forschungsteam die Temperatur im Vergleich zur bisher besten Kühlmethode für Protonen um etwa einen Faktor 10 absenken und so eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt erreichen. „Je geringer die Temperatur des Teilchens, desto genauer kann der Bereich eingegrenzt werden, in dem sich das Teilchen in der Falle befindet. Je genauer das Teilchen lokalisiert werden kann, desto besser sind die Startbedingungen definiert und desto genauer fällt anschließend die Messung aus“, erläutert Dr. Christian Smorra, Physiker am Exzellenzcluster PRISMA+ und Co-Autor der Veröffentlichung.

Die neue Zweifallen-Kühlmethode birgt weitere Vorteile: Sie kann auch auf Antimaterie-Teilchen angewendet werden, denn in einem Einfallen-Kühlsystem würden sich Materie und Antimaterie sofort gegenseitig vernichten. So erlaubt der neue Aufbau einen präzisen Vergleich von Protonen und Antiprotonen. „Wir wollen gezielt nach einem Unterschied zwischen den Eigenschaften von Protonen und Antiprotonen suchen. Unsere Theorie sagt, dass sich die beiden Teilchen bis auf die umgekehrte Ladung identisch verhalten. Warum unser Universum so viele Protonen – und damit Materie –, aber fast keine Antiprotonen, also Antimaterie, enthält, ist immer noch ungeklärt“, erläutert Matthew Bohman vom MPIK, Erstautor der Studie. Bohman forschte im Rahmen seiner Promotion seit 2018 in Mainz an der neuen Kühlmethode.

Ein weiterer Vorteil: Während früher angewandte Methoden Abstände von 0,1 Millimetern oder weniger zwischen den zu kühlenden Teilchen und den Beryllium-Ionen erforderten, ist es in der aktuellen Arbeit gelungen, die Kühlleistung über eine räumliche Trennung und einen Abstand von neun Zentimetern zu übertragen. Das schafft die Voraussetzung für weiterführende Forschungsvorhaben – und erlaubt beispielsweise eine störungsfreie und präzisere Frequenzmessung, die die BASE-Kollaboration auch bei der Suche nach Dunkler Materie mithilfe von Antimaterie vornehmen möchte. Hierzu hatte die Forschungsgruppe in früheren Experimenten am CERN bereits gefangene Antiprotonen in einer Falle untersucht – allerdings durch Kühlung mit flüssigem Helium und ohne die Hilfe von Beryllium-Ionen.

Erstmals vorgeschlagen wurde die Zweifallenmethode im Jahr 1990. Im damaligen Konzept war kein elektrischer Schwingkreis vorgesehen – hier sollten die Ionen durch eine gemeinsame Fallenelektrode verbunden werden. Von Vorteil bei dieser Vorgehensweise: Es gibt keinen Widerstand, wie er durch einen Schwingkreis entsteht. Denn dieser produziert Hitze und schwächt den Kühlvorgang ab. Der große Nachteil besteht aber in der geringen Geschwindigkeit, mit der die Energie der Ionen ausgetauscht wird. Dadurch fällt die Temperatur des geladenen Teilchens nicht schnell genug ab. „Die jetzige Umsetzung stellt eine praktisch realisierbare Weiterentwicklung des Konzepts von 1990 dar. Anstatt innerhalb von zwei Minuten findet der Energieaustausch zwischen den Fallen hier innerhalb von einer Sekunde statt“, erläutert Dr. Christian Smorra. (JGU/BP)

Weitere Informationen

Wissenschaftliche Veröffentlichung "Sympathetic cooling of a trapped proton mediated by an LC circuit" im Fachmagazin Nature (Englisch)

Pressemitteilung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz



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