Verstärktes Signal und extrem empfindlich: Leichten Dunkle-Materie-Teilchen auf der Spur

26.01.2022

Diese Mitteilung basiert auf einer Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Ein internationales Team von Forschenden unter Beteiligung des Exzellenzclusters PRISMA+ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) hat eine Labor-Methode zur Suche nach extrem leichten sogenannten „Axion-like Particles (ALP)“, die als mögliche Kandidaten für die schwer zu erfassende Dunkle Materie gelten, erfolgreich weiterentwickelt. Prinzipiell nutzen die Forschenden in ihren Experimenten Techniken der kernmagnetischen Resonanz: Durch einen neuen Aufbau konnten sie nun die Empfindlichkeit um fünf Größenordnungen gegenüber früheren Experimenten steigern, wie sie in ihrem Artikel in „Nature Physics“, einer führenden Zeitschrift in diesem Bereich, zeigen.

Noch ist über die genaue Natur der Dunklen Materie wenig bekannt. Als vielversprechende Kandidaten gelten heute extrem leichte bosonische Teilchen, etwa die sogenannten Axionen, Axion-like Particles und auch Dunkle Photonen. Diese können als klassisches Feld angesehen werden, das mit einer bestimmten Frequenz oszilliert. Wie groß diese Frequenz – und demzufolge die Masse der Teilchen – ist, ist bisher nicht bekannt. Deshalb durchsuchen die Forschenden mit ihren Experimenten systematisch unterschiedliche Frequenzbereiche nach Hinweisen auf Dunkle Materie. "Dabei gibt es noch viel zu tun, denn einen großen Massebereich, der für ALPs in Frage kommt, haben wir noch nicht überprüft", sagt Prof. Dr. Dmitry Budker, Forschungsleiter bei PRISMA+ und Bereichsleiter am HIM, einer institutionellen Kooperation der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt. "Dabei setzen wir weiter auf das Prinzip der Kernspinresonanz, also die Tatsache, dass Kernspins auf Magnetfelder reagieren, die mit einer bestimmten Resonanzfrequenz schwingen. Die Stärke dieses Resonanzsignals bestimmen wir mit einem empfindlichen Magnetometer."

Die Grundannahme der Experimente: Auch ein Dunkle-Materie-Feld beeinflusst die Kernspins eines Sensors in dieser Weise. Während sich die Erde durch dieses Feld bewegt, verhalten sich die Kernspins im Sensor genau wie in einem oszillierenden magnetischen Feld. Das Ergebnis ist ein durch Dunkle Materie hervorgerufenes Kernspin-Signal.

Als Sensor nutzen die Mainzer Forschenden und ihre Kolleg*innen der University of Science and Technology of China (USTC) das Edelgas Xenon, genauer gesagt das Isotop Xenon-129. Das Magnetometer, welches potentielle Signale misst, basiert auf dem Element Rubidium. Dabei gibt es vor allem zwei Besonderheiten: "Wir bauen das Experiment so auf, dass die Xenon-Atome ein oszillierendes Feld zunächst verstärken: So würde der Effekt, den ein potentielles ALP Feld auslöst, um einen Faktor 100 größer sein", beschreibt Co-Autor Antoine Garcon, Doktorand am HIM. "Zudem befindet sich unser Magnetometer – also die Ausleseeinheit – in der gleichen Zelle wie das Sensorgas Xenon. Der stärkere Kontakt zwischen beiden erhöht neben dem stärkeren Signal zusätzlich die Empfindlichkeit der Messung."

"Dies ist mehr oder weniger das gleiche Prinzip, das unserem 'Cosmic Axion Spin Precession Experiment'-Forschungsprogramm – kurz CASPEr – zugrunde liegt, einer Zusammenarbeit zwischen PRISMA+/HIM und der Boston University in den USA. Die Details der technischen Umsetzung sind jedoch recht unterschiedlich", ordnet Dmitry Budker ein.

In der aktuellen Arbeit zeigten die Kooperationspartner zunächst, dass ihre Idee grundsätzlich funktioniert: Sie legen ein schwaches oszillierendes Magnetfeld an, um ein ALP Feld zu simulieren und können damit die vorhergesagten Signale exakt nachweisen. Im nächsten Schritt bestimmen sie die Empfindlichkeit ihres Versuchsaufbaus: Im Ergebnis ist diese um fünf Größenordnungen besser als bei früheren Experimenten.

Nach erfolgreichem Proof-of-Principle starteten die Forschenden erste Messreihen, um nach Dunkler Materie zu suchen. Dabei konnten sie den Massebereich von wenigen Femtoelektronenvolt (feV) bis beinahe 800 feV absuchen. Zwar konnten sie in diesem Bereich bisher kein ALP-Signal finden, aber durch die viel höhere Empfindlichkeit ist es gelungen neue und strenge Grenzen im Hinblick auf die Stärke der ALP-Wechselwirkung mit normaler Materie zu formulieren. Zudem konnten sie den Suchbereich im Vergleich zu den früheren CASPEr-Experimenten um eine Größenordnung hin zu höheren Massen erweitern – und so nach dem Ausschlussverfahren den Suchbereich für ALPs noch weiter einschränken. Auch für die Suche nach Dunklen Photonen konnte der Aufbau genutzt werden. Und auch hier ist es dem Team der Forschenden gelungen, entsprechende Grenzen festzusetzen. Durch längere Messzeiten könnte die Empfindlichkeit ihrer Methode noch weiter verbessert werden, wie die Forschenden in Nature Physics erklären.

Einen sehr ähnlichen Versuchsaufbau beschreibt eine weitere kürzlich in Science Advances erschienene Arbeit. Auch hier ist Dmitry Budker beteiligt: "Wir verwenden im Wesentlichen denselben Spin-Verstärker, allerdings zu einem anderen Zweck. Statt nach dem Dunkle-Materie-Feld suchen wir nach einer möglichen exotischen Wechselwirkung zwischen einer Massenquelle und Kernspins – sozusagen einer 'fünften Kraft'. Die exotischen Wechselwirkungen würden durch die Existenz 'neuer' Teilchen entstehen, die wiederum eine Verbindung zu Dunkler Materie haben könnten." Auf der Suche nach neuer Physik jenseits des Standardmodells bietet die neue Methode jedenfalls spannende neue Ansätze und Perspektiven. (JGU/BP)

Weitere Informationen

Link zur wissenschaftlichen Veröffentlichung in Nature Physics (Englisch)

Link zur Arbeitsgruppe von Professor Budker (Englisch)



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